Formale Verursachung bei Aristoteles und in der Analytischen Metaphysik und Wissenschaftsphilosophie

Projektbeschreibung (Deutsch)

Kausalität ist eine elementare Struktur der Natur und zentral sowohl für die gegenwärtige Metaphysik als auch für die Wissenschaftsphilosophie. Allerdings wird eine der vier von Aristoteles unterschiedenen Arten von Ursachen derzeit nicht nur so gut wie gar nicht erforscht, sondern ist sogar in Misskredit geraten: die formale Verursachung. Einer der Gründe dafür ist, dass sie Platons mystische Welt der unveränderlichen, ewigen und abgetrennten Formen oder Ideen vorauszusetzen scheint, die im Widerspruch zur empiristischen und evolutionären Ausrichtung der modernen Wissenschaften steht. Außerdem scheint sie zumindest in einer naiven Fassung unfähig zu sein, mit Ausnahmen umzugehen, und nur triviale Erklärungen zu liefern. Dem beantragten Forschungsprojekt liegt demgegenüber die doppelte These zugrunde, dass (1) ohne die Annahme einer solchen Ursachenart eine Reihe von Phänomenen (sowohl auf mikrophysikalischer als auch auf biologischer Ebene) gänzlich unerklärt blieben und (2) eine ausgereifte Theorie der formalen Verursachung auf die genannten Einwände eine überzeugende Antwort geben kann.

Formale Verursachung ist immer dann im Spiel, wenn ein Ding eine bestimmte Eigenschaft hat, weil es zu einer bestimmten Art gehört. Wale haben z.B. die Fähigkeit, mit Lungen zu atmen, weil sie Säugetiere sind. Solche Fähigkeiten werden als kausale Eigenschaften der Dinge angesehen und oft als Dispositionen bezeichnet. Während eine einflussreiche Strömung in der gegenwärtigen Metaphysik Kausalität auf Dispositionen zurückführen möchte, wird die Frage, warum Dinge diese und nicht andere Dispositionen haben, überwiegend vernachlässigt.

Das Projekt will diese Frage unter Rückgriff auf die formale Verursachung beantworten. Es möchte also die These erkunden, dass der Verweis auf die Artzugehörigkeit den Eigenschaftsbesitz von Dingen erklären kann. Weil ein Wal ein Säugetier ist und Säugetierform hat, atmet er mit Lungen und nicht mit Kiemen. Im Zentrum des Vorhabens steht die Entwicklung einer ausgereiften Theorie der formalen Verursachung. Dazu soll zunächst Aristoteles’ eigene Theorie der formalen Verursachung rekonstruiert werden, wozu insbesondere seine Schriften zur Biologie herangezogen werden. Gezeigt wird dann, wie eine ausgereifte Theorie der Formalursache beschaffen sein muss, um auf die gegen die Aristotelische Konzeption erhobene Kritik antworten zu können. Dazu werden historische Einwände gesammelt und auf ihre Berechtigung hin geprüft sowie, wo nötig, Verbesserungen der Aristotelischen Theorie vorgeschlagen, die plausiblen Einwänden Rechnung tragen. Schließlich wird gezeigt, dass eine derart revidierte Theorie formaler Verursachung wichtige Lücken in den gegenwärtigen Debatten über Essentialität und Notwendigkeit, Abhängigkeit und Fundierung (Grounding), Naturgesetze, Dispositionen und Funktionen füllt. Auf diese Weise trägt das Projekt dazu bei, Aristotelesforschung und analytische Metaphysik und Wissenschaftsphilosophie füreinander fruchtbar zu machen.

Stichworte

Metaphysik, Wissenschaftsphilosophie, Kausalität, Erklärung, Aristoteles, Formursache, Essentialismus, Dispositionen, Funktionen, Ontologische Abhängigkeit, Fundierung, Naturgesetze, Ausnahmen